Quelltext der Seite Fahrbericht GT aus dem Forum User Holger

Ich habe eine gute Stunde die K16GT "ausgeführt". Die Seitenkoffer waren abmontiert, wahrscheinlich weil auf der Samstagpräsentation beim Händler einige Probesitzer mit ihren Schuhen schon hässliche Schrammen in die extrem breiten Seitenkoffer gekratzt haben...

Jetzt endlich mal unter freiem Himmel bei Tageslicht betrachtet, gefällt mir das Design noch besser. Qualitätsmängel sind mir nicht aufgefallen - eher im Gegenteil: Die K16 scheint das Perfektionsniveau eines neu konstruierten 5er BMWs zu besitzen.

Im Vergleich zur LT fühlt sich die GT erwartungsgemäß viel leichter an, sowohl beim Rangieren als auch auf der Straße - kein Wunder, ohne die Seitenkoffer dürften ja fast 2 Zentner weniger Gewicht vorhanden sein.

Die Kupplung ist sehr leichtgängig und entgegen der Meldung von MOTORRAD packt sie auch nicht "digital" zu, sondern lässt sich gut dosieren. Allerdings ist der Kupplungsweg sehr lang und nach 1 Stunde hatte ich leichte Schmerzen in den oberen Sehnenscheiden der linken Hand.   

Das Getriebe finde ich genial. Im Vergleich zu meinen beiden BMWs schaltet es sich spielend leicht und präzise. Ruck-zuck hat man sich geschmeidig zum 6. Gang hochgeklickt und wie schon berichtet, kann man den Motor im 6. bei 1.500 Touren fahren und ruckfrei beschleunigen.

Allerdings: Spaß kommt bei so einer Beschleunigung aus dem Drehzahlkeller nicht auf, da trotz hohem Drehmoment einfach kein Bumms dahinter ist und man schaltet daher doch wieder runter. Dies war für mich die erste große Enttäuschung, da ich insgeheim den sensationellen Drehmoment-Monsterschub der Rocket III erwartet habe. Die Rocket läßt sich wirklich im 5. Gang von ganz unten raus eindrucksvoll beschleunigen, hat aber auch 650 Kubik mehr....

Die zweite große Enttäuschung für mich war der Sound. Bei immerhin 1.650 Kubik hätte ich mehr bassige Frequenzen aus den Endtöpfen erwartet. Die K16 klingt aber eher hochfrequent wie eine Turbine. Sehr kultiviert, für meine Ohren aber enttäuschend langweilig und ohne "Gänsehautfaktor". Ich weiß, dies ist eine sehr persönliche Meinung. Der eine mag halt Klassik und der andere lieber Heavy Metal.....

Jetzt eine Überraschung: Auch im moderaten Mapping-Modus "Road" hängt der Motor unglaublich direkt und aggressiv am Gasgriff-Poti. Es fällt schon schwer, gemäßigt und entspannt zu beschleunigen. Wenn man den Motor ausdreht kann ich als LT-ler nur sagen, dass ich mir so den Dampfkatapult-Start auf einem Flugzeugträger vorstelle. 
Unglaubliche Power! Der Supersport-Fahrer wird hier mit der Zunge schnalzen, ich persönlich muss zugeben, dass ich ohne Training diese Kraft im oberen Drehzahlbereich nicht souverän kontrollieren kann..

Also erstmal wieder mit geringeren Drehzahlen in eine kurvenreiche Nebenstraße abgebogen. Obwohl der Radstand riesig ist (Goldwing-Niveau) lässt sich die GT willig in Kurven einlenken - viel leichter als die LT.

Was aber auf Nebenstraßen mit häufigem Abbiegen und Tempowechsel nervt sind zwei Sachen:

1.) Zum Blinken muss der Daumen über den Multi-Controller-Drehring gehoben werden. Hierbei muss man den Handballen vom Lenkergriff abheben und einen Daumen-Spagat nach rechts tätigen -> nichts für Grobmotoriker..

2.) Die Cockpitanzeigen sind für einen Generation-Nintendo-Fahrer zweifelsohne ein Traum. Für jemanden, der noch mit einem Monopoly-Spielbrett großgeworden ist und sein Lebensalter vorne mit einer 5 schmücken darf sei festgestellt, dass die Mäusekino-Anzeigen und leider auch der Tacho ohne Lesebrille nur schwer zu erkennen sind.   Alles ist klein und fitzelig und die Informationsmenge ist groß (da blinkt auch ständig ein Bluetooth-Logo, das wohl Paarungsbereitschaft mit meinem Handy signalisiert). Man schaut immer 1 Sekunde länger auf die Cockpitanzeigen als eigentlich üblich und bei der heißen Motorisierung legt man da viele Meter im "Blindflug" zurück......  

Komfort: Sogar im Komfortmodus empfand ich das Fahrwerk als sehr hart gefedert. Im Vergleich zur LT ist die GT ein Schlaglochsuchgerät. Die Scheibe hat eine bessere optische Qualität als die LT-Scheibe, bietet aber nicht im entferntesten soviel Windschutz. Die GTL wird eine höhere Scheibe bekommen, aber die Scheibenbreite ist halt geringer als bei der LT und das macht einen Unterschied. Überraschend ist auch, dass bei ganz hochgefahrener Scheibe auf einmal ein Sog auf den Oberkörper in Fahrtrichtung entsteht.

In einer Stunde kann man so ein komplexes Bike einfach nicht voll austesten.

Den LT-lern kann ich vor einem Umstieg auf die GTL aber nur raten: Testet in Ruhe aus, ob der Charakter dieses High-tech-Wunderbikes zum Komfort- und Genussanspruch eines Luxustourer-Fahrers passt.

Der Motor hat untenrum nicht die erhoffte Souveränität (man schaltet halt doch), aber ab Drehzahlmitte und aufwärts gibt's dann aggressive Kraft bis zum Abwinken.
Der Fahrkomfort ist meilenweit vom LT-Sofa entfernt und der Windschutz auch.
Das Entertainment-Center im Cockpit und die Schalter (speziell den Blinker) muss man mögen oder es sein lassen.

Ich wünsche Euch viel Spaß bei den eigenen Testfahrten und wenn jemand unterschreibt, viel Spaß und stets gute Fahrt mit dem 6-Zylinder-Schätzchen!


Quell Forum User Taunusrider