Überholen auf der Autobahn

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Der Kradfahrer, der auf einer Bundesautobahn bei einem Stau zwischen zwei Fahrzeugkolonnen durchfährt, überholt die Fahrzeuge in dem links neben ihm befindlichen Fahrstreifen unzulässigerweise rechts.

(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.04.1990 - 5 Ss (OWi) 151/90 - (OWi) 77/90)


Ein Motorradfahrer fuhr auf der A 52. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens lief auf allen drei Fahrstreifen der Verkehr zähflüssig. Der Motorradfahrer fuhr zwischen dem zweiten und dem dritten Fahrstreifen, und zwar zwischen den auf diesen Streifen langsam fahrenden bzw. stehenden Fahrzeugen hindurch. Hierbei überholte er mindestens 5 links neben ihm befindliche Fahrzeuge.

Das AG hat gegen den Motorradfahrer wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen § 5 I StVO gem. § 49 I Nr. 5 StVO, § 24 StVG eine Geldbuße festgesetzt. Hiergegen richtete sich die mit einem Antrag auf Zulassung verbundene Rechtsbeschwerde des Motorradfahrers. Der Antrag hatte keinen Erfolg.


Auszug aus den Gründen:

1. Das Fahrmanöver des Betr. ist als Überholen i. S. des § 5 StVO anzusehen.

Ein Überholvorgang liegt dann vor, wenn ein Verkehrsteilnehmer von hinten an einem anderen vorbeifährt, der sich auf der gleichen Fahrbahn in derselben Richtung bewegt oder nur aufgrund der Verkehrssituation vorübergehend anhält. Dabei kommt es weder darauf an, dass der Überholende seine Fahrgeschwindigkeit erhöht noch dass er einen Wechsel der Fahrspur vornimmt oder auf seine ursprünglich benutzte Fahrspur nach Beendigung des Überholvorganges zurückkehrt. Insb. ist die Absicht des Überholenden, einen Überholvorgang durchzuführen, nicht erforderlich. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Betr. mit seinem Krad mindestens 5 links neben ihm befindliche Fahrzeuge, die verkehrsbedingt langsam fahren oder warten mussten, überholt.


2. Der Betr. hat verbotswidrig rechts überholt.

Gemäß § 5 I StVO ist grundsätzlich links zu überholen. Das Rechtsüberholen ist nur in bestimmten gesetzlich geregelten Ausnahmefällen erlaubt ... Keiner dieser Fälle liegt hier vor.

Der Betr. kann sich nicht mit Erfolg auf den Ausnahmetatbestand des § 7 IIa StVO berufen.

Die in der StVO geregelten Ausnahmen vom Rechtsüberholen setzen voraus, dass dem Rechtsüberholenden ein freier Fahrstreifen zur Verfügung steht.

Fahrstreifen ist nach der Definition des § 7 I 2 StVO der Teil einer Fahrbahn, den ein mehrspuriges Fahrzeug zum ungehinderten Fahren im Verlauf der Fahrbahn benötigt. Der Teil der Fahrbahn, den ein einspuriges Fahrzeug zum ungehinderten Fahren im Verlauf der Fahrbahn benötigt, ist demnach kein Fahrstreifen im Sinne dieser Definition.

Beim Rechtsüberholen einer links fahrenden Kolonne auf Autobahnen durch Einzelfahrzeuge auf dem rechten Fahrstreifen ist eine Gefährdung des Verkehrs i. d. R. deshalb ausgeschlossen, weil die Fahrzeuge auf beiden Fahrstreifen nebeneinander fahren können, ohne sich zu behindern oder zu gefährden. Gerade diese Voraussetzung ist jedoch bei dem Rechtsüberholen durch Motorradfahrer nicht erfüllt. Vielmehr steht dem Motorradfahrer hier gerade nicht ein eindeutig abgegrenzter Teil der Fahrbahn zur Verfügung, was einen ungehinderten parallel laufenden Verkehrsfluss ohne gegenseitige Gefährdung ermöglichen könnte.

Durch die Gestattung des Rechtsüberholens durch Motorradfahrer zwischen langsam fahrenden oder auch wartenden Fahrzeugkolonnen auf Autobahnen würden zusätzliche Gefahren geschaffen.

Ein derartiges Fahrverhalten wie im vorliegenden Fall ist geradezu darauf angelegt, gefahrenträchtige Situationen heraufzubeschwören. Zutreffend weist das OLG Stuttgart (VRS 57, 361) darauf hin, dass ein Motorradfahrer, der auf einer Bundesautobahn bei einem Stau zwischen stehenden oder noch in Bewegung befindlichen Fahrzeugen hindurchfährt, mit unbedachtem Verhalten stehender Verkehrsteilnehmer rechnen muss. Sei es, dass die in den Kolonnen stehenden oder langsam fahrenden Verkehrsteilnehmer plötzlich zur Fahrbahnmitte und damit zum "Fahrstreifen" des Motorradfahrers fahren, sei es, dass bei stehenden Fahrzeugen Fahrzeugtüren geöffnet werden, in der Annahme, die Fahrbahnmitte bleibe frei. Bei einer derartigen Verkehrssituation können Auffahrunfälle auch bei noch so vorsichtiger Fahrweise des Zweiradfahrers nicht weitgehend ausgeschlossen werden; denn der Motorradfahrer hat keinen Einfluss auf das Verhalten der übrigen Verkehrsteilnehmer. Aus Gründen der Verkehrssicherheit und der Rechtssicherheit kann ein derartiges Fahrverhalten nicht zugelassen werden (OLG Stuttgart, VRS 57, 361; OLG Schleswig, VRS 60, 306; OLG Hamburg, NZV 1988, 105; Senat, v. 28. 2. 1985 - 5 Ss (OWi) 65/85 - 50/85 I)


Im übrigen hat der Gesetzgeber in § 5 VIII StVO nunmehr einen Fall des erlaubten Rechtsüberholens für Radfahrer und Mofafahrer in einer bestimmten Verkehrssituation geschaffen. Damit ist klargestellt, dass nicht Motorradfahrer, sondern nur Rad- und Mofafahrer und diese nur an einer vor einer Ampel wartenden Fahrzeugschlange rechts vorbeifahren dürfen. Hätte der Gesetzgeber weitere Fälle des Rechtsüberholens auch für Motorradfahrer und auch für andere Verkehrssituationen erlauben wollen, hätte es nahegelegen, bei Einführung des § 5 VIII StVO andere entsprechende Vorschriften in die StVO einzufügen.

Somit ist es ein verbotswidriges Rechtsüberholen, egal, ob die Blechdosen stehen oder fahren.



--Dieter Siever