Erfahrungsbericht defekte Kupplung

Aus BMW-Bike-Forum
Version vom 2. September 2011, 20:39 Uhr von Dietersiever (Diskussion | Beiträge)
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Ausgangssituation:

Zur Historie: Tobias LT hatte zum Reparaturzeitpunkt ca. 54.000 km wobei vor ca. 20.000 km bereits die Kupplung gewechselt worden war. Was anfangs aussah, wie ein einfacher Kupplungsdefekt, stellte sich schnell als die Spitze des Eisbergs heraus. Der Flüssigkeitsstand im Vorratsbehälter war OK - daher war nicht mit einem extrem undichten Kupplungsnehmerzylinder zu rechnen. Also ran an die Kupplung und die Ursache finden.

Die Maschine war im Vorfeld leider etwas verbastelt worden, weshalb sich die Schwingenlagerbolzen (14er war stark vergnaddelt und fast rundgedreht) erst nach dem Aufschweißen einer Mutter öffnen ließen. (Nachahmer seien gewarnt - das Material muß nach dem Schweißen gekühlt (angehärtet) werden, sonst reißt der Bolzen direkt hinter der Mutter ab).

Das Getriebe war weitgehend öldicht an den Zwischenflansch geschraubt - das meiste Getriebeöl befand sich im Kupplungsgehäuse. Die Kupplungsdruckstange war abgebrochen (der Dorn, der in die Abtriebswelle des Motors ragt) und die Kupplungsscheibe mehr als 1 cm außermittig. Die Getriebeeingangswelle wies starkes Spiel auf. Der Eingangssimmerring war zerstört. Die schwarze Farbe auf der Kupplungseite des Getriebes angelöst.

Break - die nächste Episode gehört dem Getriebe selbst.

Getriebe:

Nach Öffnen des Getriebes ist das Maß der Zerstörung klar: Getriebedeckel, Antriebswelle, Getriebeeingangslager und Zahnrad auf der Eingangswelle finalisiert. Die Dichtungen der anderen Lager angegriffen.

Dilemma:

Aufaddieren der Preise für Teile + Lager und Dichtungen ergibt ein unerfreuliches Ergebnis. Ein gebrauchtes Getriebe müsste eigentlich geöffnet werden, um sich des Zustandes sicher zu sein. Über den Preis eines Neuen muss nicht diskutiert werden. Wie die neuen Getriebe sind, weiß ich auch nicht (siehe später)!?

Nach Studium der Reparaturanleitung und Ausmessen des Getriebes wird der Weg ‚pro Reparatur' gewählt. Hierbei können wir einige kleine aber wesentliche Verbesserungen einfließen lassen.

Exkurs:

Die Eingangswelle war von der R51/3 bis zu den späten 2-Ventilern nie problembehaftet. Anfangs vorne im Rillenkugellager und hinten im Schrägkugellager gelagert (gut zur Aufnahme der Axialkräfte der Schrägverzahnung), wurde bei den gleitgelagerten 2-Ventilern vorne ein Zylinderrollenlager eingesetzt - die Axialkräfte hinten einem relativ üppigen Kugellager überlassen. Stabile Konstruktionen wurden beim Boxer bist zur R1100 und bei der K bis zur K1100 eingesetzt. Ab der R1150 und der K1200RS wurde die Kupplung hydraulisch und das Getriebe daraufhin angepasst.

Retour zur K1200:

Ich kann hier sicher nicht mit einer alleinigen Ursache dienen - es kommen wohl mehrere Faktoren zusammen: Bei dieser Maschine wird die doppelte Leistung gegenüber den späten 2-Ventilern eingespeist. Das Eingangslager ist ein dem Zylinderrollenlager in den Hauptabmessungen gleiches Rillenkugellager. Die statische und dynamische Traglast betragen etwa 1/3 der früheren Zylinderrollenlager - dafür kann es leichte axiale Kräfte aufnehmen. Unterstützt wird es hinten von einem 6203, das nicht viel mehr leisten kann, als die Welle zu stabilisieren. Das Ganze wird auch gut funktionieren, solange sich der Fahrer beim Lastwechsel zurückhält und das Wellenspiel im Getriebe stimmt. Und hier kommt die Krux. Laut BMW-Unterlagen werden die Wellen auf ein bestimmtes Blockmaß eingestellt und in das Getriebegehäuse verbaut. Die Tiefe des Gehäuses / des Deckels werden für die Lagersitze der Antriebs-, Abtriebs- und Zwischenwelle, zumindest im Reparaturfall, nicht mehr vermessen. Bei den von mir geöffneten defekten Getrieben hatten wir hier eine Differenz von ca. 0,2 mm zwischen maximal zulässigem Blockmaß und der lichten Weite zwischen den Lagersitzen im Gehäuse und Deckel. Das entspricht dem 4-fachen des maximal zulässigen Axialspiels. Damit hat die Eingangswelle die Möglichkeit bei jedem Lastwechsel mit etwas Schwung auf die Lager zu schlagen.

Das spricht auch für das Schadensbild:

Der Käfig des Eingangslagers war zerstört, der Innenring zerschmiedet, das Zahnrad fräste sich in den Lagersitz und glühte auf den ersten 5 mm aus, der Simmerring gab auf, das Getriebeöl landete auf der Kupplung. Erst jetzt bemerkte der Fahrer den Schaden.

Durchgeführte Arbeiten am Getriebe:

Neben dem Reinigen (Sisyphusarbeit) und Ausmessen der Wellen, Einbau der neuen Welle, Deckel, Zahnrad, neuer Lager, Ausdistanzieren auf das Blockmaß laut Handbuch und Einbau neuer Simmerringe kommt der spannende Teil: Getriebegehäuse und Deckel wurden vermessen und mit Passscheiben (DIN 988) auf eine Gesamttoleranz von maximal 0,05 mm auf das tatsächliche Blockmaß der Wellen eingestellt. Das vordere Lager der Eingangswelle wurde durch eine qualitativ verbesserte Version mit vernietetem Messingkäfig ersetzt (Preis etwa Faktor 3-4). Dieses individuelle Einmessen der Wellen in das Gehäuse war bei den älteren Modellen obligatorisch. Ich vermute, dass bei der K1200 im Zuge der immer genaueren Produktion die Gehäuse und Deckel auf ein bestimmtes Sollmaß mit geringen Toleranzen beauftragt werden. Vor dem Zusammenbau werden sicher Stichproben der Gehäuse auf Maßhaltigkeit geprüft - aber sicher nicht mehr jedes Gehäuse. Eventuell wurde in der späteren Produktion genauer gearbeitet. Es wäre also interessant einmal ein neues Getriebe zu vermessen.

Zurück zur Kupplung:

Zu den mehrfach genannten Wiederholungsschäden: Das Ganze ist ein Henne-Ei-Rätsel. Zwei Beispiele für mögliche Szenarien:

A) Axialspiel => Druckstange trommelt auf Hydraulikzylinder => undicht => Kupplung rutscht - zersetzt sich => Unwucht => Getriebelager geschädigt! B) Axialspiel => trommelt auf das Lager => Getriebelager geschädigt (meist erst der Käfig) => Unwucht => Taumelbewegung auf Druckstange => Kupplungszylinder undicht!


In beiden Fällen wird der Kupplungsschaden direkt sichtbar. Der Getriebeschaden zeigt sich je nach Fahrweise deutlich später.


Abschließend Empfehlung / Alarmzeichen:

1) Kupplungshydraulik - Vorratsbehälter häufig prüfen. Verloren gegangene Flüssigkeit landet leider nicht im Nirvana, sondern wirkt sich meist negativ auf die Simmerringe oder die Kupplung aus. 2) Getriebeöl selbst wechseln. Färbung (Flitter) und Pilzbildung am Magneten der Ablassschraube beobachten (vermehrter Abrieb oder größere Bröckchen sind kein Spaß). Ob des Freundlichen Lehrling es genauso sieht, ist ein Unsicherheitsfaktor. 3) Wenn das Getriebe wegen Kupplungsschaden ausgebaut werden muss, sollte die Chance genutzt werden, es zu vermessen und ggf. richtig - also nicht nur nach Handbuch, sondern auch nach der tatsächlichen Weite zwischen den Lagersitzen einzustellen.


Ich bitte um Verständnis, dass ich für Rückfragen ausschließlich über eine PN zur Verfügung stehe, da ich sonst eher rund um die wälzgelagerten Maschinen unterwegs bin. Tobias wird mich, was dieses Forum angeht, schon auf dem Laufenden halten.


Aus dem LT Forum User Axel

Links zum Thema

Es gibt bei http://www.siebenrock.com/de/siebenrock/news/weltneuheit-oelfeste-kupplung.html eine Kupplungsscheibe die sowohl trocken als auch im Öl funktioniert. Dann ist ein wechsel wegen Öl auf der Kupplung schluss.




--Dieter Siever